Bettina Dreyer
Dialog in Sprache



Sommer 1983: Mit einem Langenscheidt-Lehrbuch im Gepäck ging es los in den ersten Urlaub nach Schweden, Ziel Göta-Kanal. Auf dem Weg von der Heimat Ruhrgebiet nach Stockholm war genügend Zeit, sich ein paar Grundbegriffe anzueignen. Schließlich hatte ich in der Schule bereits Englisch, Französisch und Russisch gelernt und nebenbei in der Volkshochschule Italienisch. Auch waren Astrid Lindgrens "Kinder aus Bullerbü" seit Kindertagen meine liebsten Freunde! Ich entsann mich auf das schwedische "å", gesprochen [o], da eine Brieffreundin aus Laxå mir auf Englisch die Aussprache erklärt hatte. Was ich zum damaligen Zeitpunkt nicht wusste, war, dass die schwedische Aussprache über 5 "o" verfügt und diese hin und wieder zum "u" tendieren!! Schwierig!

In Stockholm angekommen, traf ich die ersten Einheimischen: Hilfe! Das hört sich aber ganz anders an, als was der Langenscheidt vermittelt! Ich dachte, die sprechen so, wie es geschrieben wird! Ach so, das sind Norweger und Finnland-Schweden! Skandinavisch Multi-Kulti! Aber alle sind total nett und sagen immer "hej". Der Göta-Kanal ist ein Traum, das Schleusen unseres kleinen Motorboots macht Riesenspaß und die gute Luft und das viele Grün tun gut. Ein herrliches Land!

Sommer 1985: jetzt schon mit dem Langenscheidt Wörterbuch im Gepäck geht's nach Stockholm! Mit diesem und viel Liebe im Herzen sollte alles gutgehen, auch ohne Wohnung, Arbeit oder Geldreserven. Schließlich bin ich ausgebildete Hotelfachfrau und somit Improvisieren gewohnt. Wir Deutschen sind aufgrund unserer allseits bekannten Pünktlichkeit, Höflichkeit und Sorgfältigkeit gefragte Mitarbeiter. Nach einer Woche der erste Aushilfsjob im Hotel, nach 3 Monaten Beginn des Sprach- und Integrationskurses "Svenska för invandrare". 660 Stunden Schwedisch mit 3 Lehrerinnen aus 3 Regionen,    6 Monate ganztags, und das natürlich bezahlt. Ich nutze und genieße die Zeit und sauge alles Schwedische auf, was mir in den Weg kommt. 

Dann der Schock: am Samstag 1. März 1986, erfahre ich morgens im Radio, dass am Vorabend Schwedens Ministerpräsident Olof Palme auf der Straße ermordet wurde! Er war ohne Leibwächter im Kino. Seit den 70-ern hatte ich zwar von den Terror-Attacken der RAF in Deutschland gehört und gelesen, aber Schweden ist doch Bullerbü, oder? Das Land verfällt in ein kollektives Trauma.

Nur 2 Monate später die nächste Katastrophe: das Reaktorunglück in Tschernobyl. Nördlich von Stockholm ist eine riesige radioaktive Wolke heruntergekommen, in Lappland müssen zigtausende Rentiere getötet werden. Die Touristen bleiben aus. Die Welt in Schweden gerät aus den Fugen. Ich lese Dagens Nyheter, die Titelseiten von Expressen und die Romane von Jan Guillou. Auch lerne ich an einem Abend-Gymnasium Schwedisch zur Vorbereitung auf Universitätsstudien.

Ab 1. April habe ich eine Festanstellung in leitender Funktion, darauf folgen weitere Stationen in der Hotellerie, bis ich 1990 eine Stelle als Geschäftsführer-Sekretärin annehme. 1992 beschließe ich, dieses Land, in dem man vor allem eine "personnummer" und gläsern ist, zu verlassen und nach Deutschland zurück zu gehen. In den nachfolgenden Jahren habe ich durch die Hotellerie, während meines 2-jährigen Touristik-Studiums und den darauf folgenden Tätigkeiten immer wieder Kontakt nach Schweden, privat und mit Geschäftspartnern im Tourismus. 

2012 beginne ich bei der Kreisvolkshochschule Verden mit einem Anfänger-Kurs, aber dann sollten es gleich 3 Kurse werden und weitere Volkshochschulen in der Umgebung. 2016 unser Ferienhaus in Schweden, ab 2017 Online-Unterricht mit noch recht wenig Interessierten, Pandemie bedingt sind es mittlerweile zahlreiche Teilnehmende von Stockholm bis Süd-Deutschland und angrenzendes Ausland in den Kursen!

Jeder Kurs bringt mich mit vielen an Schweden und der schwedischen Sprache interessierten Menschen zusammen und es macht große Freude, sich über die Erfahrungen und Begegnungen im Land auszutauschen und diese herrliche Sprache Interessierten zu vermitteln. 

Schwedisch ist für Deutschsprachige einfach zu erlernen, da es aus dem Nord-Germanischen stammt und die Grammatik wesentlich einfacher ist als unsere. Die Aussprache ist gewöhnungsbedürftig, doch sehr melodisch. Aber liebe Schweden, warum macht Ihr aus dieser grazilen Schönheit auf dem Laufsteg ein sprachlich plumpes "mannekäng"??


Beim Frühstücks-Empfang der Deutsch-Schwedischen Handelskammer im Senator Hotel Lübeck Penta (1993)


Im winterlichen Abisko in Lappland (2023)